“NORDKAP”
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NORDKAP
…senkrechte Bergwände aus der aufgewühlten See. Darüber hängen dunkle Wolken ganz niedrig und
berühren die Gipfel der Bergmassive. Es beginnt ein Regen, der so stark wird, dass er die Sicht auf
die Anlegestelle unmöglich macht. Unglaubliche Wassermassen kommen runter. Und zu allem
Elend bleibt das auch beim Anlegen so.
Wir gehen hinunter zu den Fahrzeugen und Petter hält mir sein Handy hin und bittet mich, meine
email-Adresse hineinzuschreiben. Da sieht uns der bordeigene Sklaventreiber und treibt uns an,
die Motorräder startklar zu machen. "Go, go, go!" Ich tippe schnell meine Adresse in Petters Handy
und sage, ich würde mich sehr auf Post von ihm freuen und ganz sicher antworten. Wir
müssen jetzt zu unseren Mopeds.
Dann mache ich schnell die Dicke frei, die die Überfahrt gut überstanden hat. Die Motorräder
werden als erstes von Bord gejagt. Petter und ich verabschieden uns hupend voneinander. Er muss
sich jetzt beeilen, die Fähre in Andenes zu erwischen. Dazu wird er die halbe Nacht unterwegs sein.
Die Franzosen habe ich schon bei der Abfahrt vom Schiff aus den Augen verloren.
Mein nächstes Ziel ist der südlichste Ort der Lofoten und gleichzeitig der
mit dem kürzesten Namen, den ich kenne, ich fahre nach "Å". Die hundert
Einwohner des Ortes Å, der übrigens zum grössten Teil einer gewissen Familie
Larsen gehört, leben vom Tourismus, den es fast ausschliesslich in den
Sommermonaten hierher verschlägt. Das Fischereidorfmuseum und ein
Stockfischmuseum sorgen in dieser Zeit für ihr Einkommen. Ich möchte dort
hin, um das Ortsschild zu fotografieren, weil ich den Namen so cool
finde. Es ist nun schon recht spät und abgesehen davon, dass ich gar nicht
weiß, ob die Museen überhaupt noch geöffnet haben, möchte ich mich auch noch
um eine Unterkunft kümmern. Deshalb nehme ich mir nichts mehr vor, sondern
will nur schnell das Bild machen.
Ein wolkenbruchartiger Regen, wie ich ihn vielleicht noch nie erlebt
habe, hämmert jeden Fahrspaß nieder. Wasser läuft innen und außen am
Visier herunter, meine Schuhe sind vollkommen durchnässt, was auch noch
nie der Fall war, denn die Dinger sind eigentlich wasserdicht. Die Autos
vor mir fahren Schrittgeschwindigkeit mit den Scheibenwischern auf
schnellster Stufe.
Dann erreiche ich A und fahre rechts ran. Die Kamera auszupacken ist mir
zu gefährlich, es ist unmöglich, ein Bild zu machen, ohne dass sie
vollkommen nass wird. Deshalb ziehe ich den Helm aus, halte ihn mir vor
die Jacke und nehme mein Handy aus der Innentasche, um es sofort im Helm
vor dem Regen zu schützen. Dann mache ich mit dem Handy aus dem Helm
heraus schnell mein begehrtes Bild von diesem außergewöhnlich kleinen
Ortsschild. Schließlich wende ich und fahre relativ ziellos auf der
einzigen Straße in Richtung Nordosten, darauf wartend, dass ein Schild
"Camping" oder "Cabins" meine Unterwasserfahrt beendet.
Unterwegs komme ich an vielen Trockengestellen für Stockfische vorbei, die alle voll mit Fischen
hängen und einen intensiven Fischgeruch verströmen. Vielleicht komme ich morgen dazu,
diese Köstlichkeit irgendwo zu verkosten, heute möchte ich nur noch eine trockene Bude finden.
An zwei Schildern komme ich vorbei, die Hütten anbieten, rote kleine Zusatzschilder zeigen jedoch
an, dass sie schon vergeben sind und es sich nicht lohnt, nachzufragen.
In Ramberg indessen scheint noch etwas frei zu sein. Vor einem relativ großen Lokal parke ich und
gehe zur Rezeption, um nach einer Hütte zu fragen. Die junge, schick gekleidete Dame erklärt
bedauernd, dass bereits alle Hütten vermietet sind. Während sie das sagt, schaut sie aus dem Fenster
und fügt an, dass sie doch noch einmal nachfrage, ob sich denn nichts machen ließe bei
diesem Wetter. Sekunden später kommt sie lächelnd aus einem vornehmen Speisesaal zurück und
freut sich, mir die letzte, nur ausnahmsweise verfügbare Hütte geben zu können. Sie sagt, es sei
eine der teuersten Luxushütten für zwei Personen, die sie mir aber günstig geben könne, weil
daran noch Bauarbeiten im Gange seien. Der Preis, den sie mir nennt, ist zwar immer noch
beachtlich, aber für den Luxus sehr in Ordnung. Bei diesem Weltuntergangswetter hätte ich
wahrscheinlich ohnehin jeden Preis akzeptiert.
Nachdem alles erledigt ist, gehe ich wieder zu meinem Motorrad. Aus dem Restaurant kommt mir
eine Dame nachgelaufen, die offenbar die Chefin ist und es sehr bedauert, dass sie mir keine andere
Unterkunft anbieten kann. Ich verstehe nicht ganz, wo das Problem liegt und sage, dass alles in
Ordnung sei und ich mich sehr freue, bei diesem Wetter nicht weitersuchen zu müssen. Als kleine
Wiedergutmachung für mein Ungemach lädt mich die Chefin morgen früh zu einem Frühstück
meiner Wahl ein Ich solle einfach ins Lokal kommen und sagen, dass sie mich eingeladen habe.
Der Hammer! Was ist los, dass sie sich bei mir entschuldigt?
Immerhin habe ich eine Unterkunft zum Sonderpreis bekommen. Aber klasse, so ein richtiges
Frühstück lasse ich mir nicht entgehen. "Thank you very much, that´s very kind of you." Sie hält
mit beiden Händen ihren Kragen oben zu und läuft mit hochgezogenen Schultern zurück ins Haus.
In den wenigen Sekunden wird ihre weiße Bluse vollkommen durchnässt.
Gerade als ich zu meiner Hütte fahren will, kommen die Franzosen auf den Platz gerollt und fragen
mich, ob ich eine Hütte bekommen hätte. Wahrheitsgemäß sage ich ja, aber es sei die letzte
gewesen. Es folgen französische Flüche und die beiden Maschinen entfernen sich wieder…
kleine Leseprobe aus dem 9. Kapitel: “Auf die Lofoten…”
(hier geht es um die Ankunft mit dem Schiff auf den Lofoten)
Trockengestell
für Stockfische
Blick von meiner Terrasse
5 min vor Mitternacht